© Götz Neuber
Grundlagen, Gärten und Obstbaumwiesen
mit Übersicht geeigneter Arten und Sorten
Eine Tracht eintragende Biene kann bis zu 30 mal pro Tag fliegen; dabei sucht sie bis zu 300 Blüten auf. Maximal dauert ein Flug etwa 30 Minuten. Multipliziert man eine mittlere Anzahl von Flügen (ca. 25) mit einer mittleren Anzahl besuchter Blüten (ca.250) so kommt man auf gut 6000 Blüten, die eine Biene pro Tracht-Tag durchschnittlich anfliegt. Von den ca. 12 000 aktiven Trachtbienen in einem Volk werden also gut 70 000 000 Blüten pro Tracht-Tag besucht. – Die von einer Biene besuchte Blüte wird zwar nie ganz leer getrunken, sie wird aber über längere Zeit von anderen Honigbienen (nicht von Wildbienen) gemieden. Mehrfach-Besuche sind also selten, so daß man von einer Tagesrate im zweistelligen Millionenbereich für ein Volk ausgehen muß. – Es wäre der Komplexität der Vorgänge nicht angemessen, wollte man exaktere Zahlen rechnen. Die so geschätzte Größenordnung hingegen ist seriös und signifikant und läßt die ökologisch bedeutsame Bestäubungsleistung der Biene erkennen.
Nach Forschungsergebnissen übersteigt der damit bewirkte landwirtschaftliche respektive gesamtwirtschaftliche Ertrag –vor allem bei Massentrachten – das 10-fache des Wertes des dabei eingebrachten Honigs. Bei einem Honigeintrag von nur ca. 40 kg im Jahr (max. bis 65 kg) entsteht also ein Honigwert pro Volk von 40 x 15,- DM = 600,- DM und gleichzeitig ein Ertrag von mehr als 6000,- DM im Bereich der Landwirtschaft und der Verarbeiter ihrer Produkte. Ein kleiner Imkerverein, dessen 70 Mitglieder 700 Völker bewirtschaften, ist also an der Entstehung von Werten in der Größenordnung von Millionen beteiligt. – Der ökologische Wert, der im gleichen Zuge im Bereich der Erhaltung von Wildpflanzen geschaffen wird, ist nicht zu beziffern. – Eine entsprechende Evaluierung kann die Wissenschaft noch nicht leisten. Der Bienen- oder Naturfreund möchte da verständlicherweise in gleiche Höhe oder höher greifen…
In der Überschrift dieses Kapitels steht die Pflege, d.h. die vom Menschen besorgte Unterhaltung und Entwicklung der Bienentracht bietenden Biotope. Nachdem wir heute die von uns zu verantwortenden Schädigungen der biologischen Wirkungszusammenhänge erkannt haben, muß die Biotoppflege sich weitestgehende Annäherung an naturhafte Zustände zum Ziel setzen. In unserer von Siedlung, Landwirtschaft, Gewerbe und Verkehr geprägten Landschaft ist das eine von immensen Abwägungsproblemen belastete Aufgabe! Nur so weit, wie wir diese bewältigen, werden die Biene und ihre „wilden Verwandten“ ihre Aufgabe nachhaltig erfüllen können. Die folgenden Beiträge in diesem Kapitel sind Anregung und Auftrag für alle an der Biotoppflege Beteiligten, das Ihre zu einer möglichst naturnahen Wiederherstellung der vielfältigen Trachtsituationen, insbesondere einer Schließung von zeitlichen Trachtlücken zu tun.
Der Samen- und Pflanzenhandel könnte überdies seiner zunehmend ökologisch verantwortlich handelnden Kundschaft eine Wareninformation bieten, die um Trachtwertigkeiten und bienenwichtige Blühtermine ergänzt ist. Zur Zeit jedenfalls spielt das Kriterium „gute Bienenweide“ in diesem Gewerbe keine Rolle.
Ein früherer, überholter Erkenntnisstand über den Naturhaushalt ließ zu, daß der wirtschaftende – oft genug um das Überleben kämpfende – Mensch eine weitreichende Verringerung des Artenspektrums allein der Flora verursachte resp. duldete. Da man heute aber weiß, wie dieses wiederum den Arten der Fauna – hier den Bienen und Wildbienen – das Leben erschwert, sollte ein umfassender Neuansatz zur Korrektur dieser Fehlentwicklung in unserer Landschaft eigentlich selbstverständliche Folge sein. Angesichts der Quantität und Qualität des Problems sind die Imker und ihre Institutionen allerdings überfordert. Hier sind vielmehr Politik, Naturschutzverbände, Standesorganisationen der Land- und Forstwirtschaft, des Garten- und Landschaftsbaus sowie (s.o.) übergreifende Organisationen des Pflanzen- und Samenhandels zu einer konzertierten Aktion gefordert. In einer Situation, in der selbst den Planungs- und Grünunterhaltungs-Instanzen der Gebietskörperschaften die Grundsätze des Schutzes von Bienen oft genug völlig fremd sind, wäre ein Ansatz unter dieser umfassenden Vielschichtigkeit von vornherein zum Mißerfolg bestimmt. Wenn also in unserer Kulturlandschaft auf Geest und Marsch etwas zur Verbesserung der Trachtsituation getan werden soll, dann ist das nicht durch Einzelne mit dem willkürlichen Auswählen von Pflanzen und Saatgut (oder dem schützenden Erhalten von Bienenweide) aus dem allgemeinen Spektrum der vielen Möglichkeiten zu erreichen. Es muß vielmehr nach jeweils lokaler Sachstandsaufnahme (Trachtkarte und Trachtkalender)
a) zwar räumlich das ergänzt werden, was fehlt, aber
b) muß ganz speziell das am Ort ergänzt werden, was zur Füllung jahreszeitlicher Trachtlücken erforderlich ist.
Aus diesen biologisch-ökologischen Gesichtspunkten gesehen sind Trachtlückenfütterung durch den Imker oder das Anwandern von jahrezeitlich aktuellen Trachtgebieten Notlösungen oder gar falsch.
Es ist durchaus denkbar, daß die Biene vielleicht durch gezielte Zucht auch eine solche durch Wirtschaftlichkeitserwägungen begründete Vorgehensweise des Imkers bewältigen kann. Aber eigentlich entwickelt man sich damit noch weiter vom Naturzustand fort, was, wie bei allen Lebewesen, grundsätzlich zu Zivilisationsschäden mit – wie gesagt – nachfolgender Therapie-Notwendigkeit und zum Einsatz weiterer Medikamente führt.
Da die Imkerschaft allein zur Herstellung eines naturgemäßen Trachtenfließbandes nicht in der Lage ist, bedarf es umfassenderer Urheberschaft.
In Kenntnis der örtlichen Trachtkarte und des örtlichen Trachtkalenders ist eine optimierende Ergänzung ohne weiteres möglich. Kommunale Gebietskörperschaften wie private Investoren könnten im Benehmen mit den o. gen. Institutionen, ohne andere ökologische Ziele zu gefährden, die Chancen in nachstehend aufgeführten Handlungsfeldern erheblich besser nutzen:
- Naturschutzrechtliche Kompensationsmaßnahmen
- Rekultivierungsmaßnahmen
- Wallheckenprogramme
- Grünbracheneinsaat
- Befestigung von Böschungen aller Art
- Eingrünungen von Siedlungen und privilegierten Baumaßnahmen im Außenbereich
- Anlegung von Wildgehölzen und Hegebüschen
- Anlage von Wege- und Straßenbegleitgrün
- Konzeption von Landesgartenschauen, Parkanlagen etc.
Dabei geht es nicht allein um den Beschluß des jeweiligen planungsrechtlichen Rahmens, sondern vor allem um die konsequente Überwachung des Vollzuges und der fachlich einwandfreien Unterhaltung. – Und: Warum können bei Maßnahmen dieses Kalibers nicht auch Standorte für Bienenstände eingeplant werden?!
Unten folgende Listen können von ökologisch Interessierten zur Neuanlage oder Ergänzung bienentrachtrelevanter Biotope genutzt werden, sofern nicht eine fachlich differenziertere Vorgehensweise gewünscht oder – z.B. in Naturschutzgebieten – erforderlich ist.
Für Wildbienen genügt dabei eine möglichst vollständige, kontinuierlich blühende Weide mit gestaffelten, sich in Teilen überdeckenden Blühzeiten. – Die Überdeckung garantiert die Kontinuität bei witterungs-bedingten Verschiebungen einzelner Blühzeiten. – Da Wildbienen die unterschiedlichstenPflanzen in meist willkürlicher Reihenfolge aufsuchen, entspricht ein solches Angebot ihren Bedürfnissen.
Weil Honigbienen zum naturgemäßen Überwintern in Volksstärke auf zeitrationale Weise große Honigreserven anlegen, sind sie mehr auf Massen- als auf Läppertrachten angewiesen. Sie sammeln artenstet und brauchen daher ein größeres Aufkommen der einzelnen Pflanzenarten. Innerhalb der jeweils aktuell angeflogenen Art wechseln sie allerdings durchaus die Sorten, so daß die erforderlichen Kreuzbestäubungen garantiert sind. So ist z.B. ein einzelner Apfelbaum für ein Honigbienenvolk nur dann interessant, wenn zu gleicher Zeit nichts Anderes verfügbar ist. Besser ist immer die größere Obstwiese oder ein anderes Weideangebot mit Massentracht. Einige Sammlerinnen werden natürlich auch andere Blüten im Flugbereich des Volkes besuchen. Die Vielfalt der kleinen Zusatztrachten stabilisiert die Gesundheit des Volkes.
Bienenweidepflanzen
mit Angabe der Monate, in denen diese vorwiegend blühen
Haselnuß 3 – 4 Seidelbast 3 – 4 Frühjahrsheide 3 – 4 Eibe 3 – 4 Kornelkirsche 3 – 4 Sal- u. Küblerweide 3 – 4 Purpur- u. Reifweide 3 – 4 Silberahorn 3 – 4 Erle, Pappel, Ulme 3 – 4 Stachelbeere 3 – 4 Buchsbaum 3 – 4 Ohrweide 3 – 4 Grau-, Weiß-, Schwarz-, Korb-, Persische, Kaspische Weide 4 – 5 Schlehdorn 3 – 5 Alpen-, Gold-, Blutjohannisbeere 4 – 5 Schneeball 4 – 5 Felsenbirne 4 – 5 Vogelkirsche 4 – 5 Weichselkirsche 4 – 5 Trauerweide 4 – 5 Spitzahorn 4 – 5 Mahonie 4 – 6 Kirschpflaume u.a. 4 – 5 Japanische Quitte 4 – 5 Wild- u. Zierapfel 4 – 5 Rotbuche 4 – 5 |
Geißklee 4 – 5 Esche 4 – 6 Bergahorn 5 Feld-, Fächerahorn 5 Hundsrose 5 Dorn-, Heckenkirsche 5 – 6 Kreuzdorn 5 – 6 Roßkastanie 5 – 6 Eberesche 5 – 6 Mehlbeere 5 – 6 Elsbeere 5 – 6 Sauerdorn 5 – 6 Eiche 5 – 6 Tamariske 5 – 6 Ginster 5 – 6 Erbsenstrauch 5 – 6 Goldregen 5 – 6 Felsenmispel 5 – 6 Spätbl. Traubenkirsche 5 – 6 Tulpenbaum 5 – 6 Faulbaum 5 – 7 Himbeere 5 – 7 Rosen 5 – 8 Robinie 6 Klebrige Robinie 6 Lederhülsenbaum 6 Blasenspiere 6 Hopfenstrauch 6 Echte Kastanie 6 – 7 |
Götterbaum 6 – 7 Essigbaum 6 – 7 Brombeere 6 – 8 Schneebeere 6 – 9 Bocksdorn 6 – 9 Liguster 6 – 7 Korkbaum 6 – 7 Sommer-, Kaiserlinde 6 – 7 Feuerdorn 6 – 7 Färbeginster 6 – 7 Unform 6 – 8 Blasenstrauch 6 – 8 Tamariske 6 – 8 Fingerkraut 6 – 9 Trompetenbaum 7 Holländische Linde 7 Winterlinde 7 Korallenbeere 7 – 8 Stechpalme 7 – 8 Rispige Kölreuterie 7 – 8 Waldrebe 7 – 9 Wilder Wein 7 – 9 Krimlinde u. Silberlinde 7 – 8 Japanischer Schnurbaum 7 – 8 Stinkesche 7 – 9 Rankender Knöterich 7 – 9 Bartblume 8 – 9 Heidekraut 8 – 9 Efeu 8 – 9 |
Diese Listen sind beispielhaft zu verstehen und keinesfalls vollständig. Sie enthalten aber das klimabedingt hier wesentliche Trachtpotential. Interessierte können vor allem im Bereich der Gartenstauden oder Gräser (Getreide, Mais) umfängliche Vervollständigungen finden. Auch kann eine differenziertere Betrachtung der aus den einzelnen Pflanzen jeweilig möglichen Pollen- und Nektarausbeute dienlich sein. Die angegebenen Blühzeiten differieren je nach Wetter oder kleinklimatischen Bedingungen.
Die Nektartracht ist bekanntlich nicht alleinige Basis der Honigerzeugung. Auf vielen Pflanzen, vornehmlich Gehölzen, finden die Bienen für die Honigherstellung verwertbare Saftausscheidungen, Honigtau, an grünen Pflanzenteilen. Bestimmte Stellen der Pflanzensaftsekretion außerhalb von Blüten werden von den Bienen geschätzt. Sie werden als „extraflorale Nektarien“ bezeichnet. – Die vor allem in der Forstwirtschaft genutzten Nadelgehölze liefern zudem Pflanzensäfte zur Herstellung des dunklen Waldhonigs, welche die Bienen von zahlreichen Sauginsektenarten an den Nadeln übernehmen. Diese „Lachniden“ und „Lecanien“ werden speziell auch von Ameisen als Futterspender genutzt und gehegt, so daß sich ein komplexer ökologischer Wirkungszusammenhang zwischen ihnen, den Ameisen und Bienen ergibt.